Review: "Oscar Wilde" GB 1997 Regie: Brian Gilbert Darsteller: Stephen Fry, Jude Law, Vanessa Redgrave
** out of ****
Von einem Film ueber das Leben des englischen Schriftstellers und Dramatikers Oscar Wilde (1854 - 1900) haette ich mehr erwartet. Zum Beispiel das Psychogramm eines brillanten, homosexuellen Nonkonformisten im Viktorianischen Zeitalter. Mir waere auch die Geschichte einer obsessiven Liebesbeziehung unter Maennern recht gewesen. Eine Darstellung heutiger Zustaende und Vorurteile im historischen Gewand? Warum nicht?
Doch leider verspricht der Film mehr als er halten kann. "Oscar Wilde - Der erste moderne Mann"? Mag sein. Im Film wird dergleichen nicht deutlich.
"Oscar Wilde" beginnt mit dem spaeten coming-out des bereits gefeierten Autors und Familienvaters. Befreit "wie nach dem Fall von Belagerungsmauern" lebt er seine neu entdeckte Lust in den Armen verschiedener junger Maenner aus. Schliesslich findet er sein Schicksal in der Gestalt des betoerend schoenen Adligen Lord Alfred Douglas ("Bosie"). Er laesst sich in den Konflikt des Jungen mit seinem homophoben Vater hineinziehen. Es kommt zum oeffentlichen Skandal. Oscar Wilde verbringt zwei Jahre hinter Zuchthausmauern, von denen er sich nicht mehr erholt.
Trotz der Idealbesetzung der Titelrolle mit dem wunderbaren Stephen Fry erfahren wir zu wenig ueber die Person Oscar Wildes, um uns wirklich fuer ihn zu interessieren. Er ist uns sympathisch, doch sein Innenleben bleibt ein Raetsel. Noch unschaerfer treten uns die uebrigen Figuren des Films entgegen, obwohl auch hier erstklassige Darsteller am Werk sind (z.B. Vanessa Redgrave).
Der Film konzentriert sich ausschliesslich auf Wildes Umtriebe in der schwulen Nische der englischen upper-class. Dort sind die gezeigten Zustaende derart "modern", dass ausgerechnet Wilde den groessten Teil des Films fuer den heutigen Betrachter wie ein Spiesser wirkt. Die ganze Ungeheuerlichkeit von Wildes Lebensstil im ausgehenden 19. Jahrhundert wird uns erst ansatzweise bei der legendaeren Gerichtsverhandlung bewusst. Zu spaet fuer den Film.
Ueber den Schauplatz und die Zeit von "Oscar Wilde" erfahren wir wenig, trotz der sorgfaeltigen Ausstattung. Wer ueber die Enge und die strengen Regeln des Alten England etwas wissen will, ist mit einem Film wie "Sense and Sensibility" besser bedient. Ueber Obsessionen hat man auch schon beeindruckendere Filme gesehen, ebenso ueber schwule Liebe in welcher Zeit auch immer.
So ist der Film weder fuer Kenner Wildes und der damaligen Zeit zu empfehlen, noch fuer jene, denen das Sujet voellig fremd ist.
Auch Voyeure seien entschieden gewarnt: Wer sich nicht gerade ueber den Anblick der nackten Rueckseite eines gut gewachsenen jungen Kerls auf- oder erregen kann, hat auch nichts zu glotzen.
Insgesamt eine schoen fotografierte, ueber weite Strecken langweilige Enttaeuschung mit einem allerdings idealen Hauptdarsteller.
(A review by Harald Spyra)
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